Interview

Kehlkopflos

H. Heistermann hat gelernt, ohne die eigene Stimme zu leben und hilft anderen Betroffenen.

Interview mit Herbert Heistermann, Vorsitzender BzV der Kehlkopflosen Bielefeld

„Der Opa spricht anders“

Durch eine Krebserkrankung hat Herbert Heistermann seine Stimme verloren, der Kehlkopf wurde entfernt. Nach dem Schicksalsschlag musste er lernen, sich im Leben neu zurechtzufinden.

Die irritierten, fragenden Blicke waren für Herbert Heistermann sehr gewöhnungsbedürftig. In der ersten Zeit war ich sehr menschenscheu, habe gehofft, dass mich niemand anspricht", erzählt der 67 -jährige von der Zeit nach seiner schweren Operation vor 13 fahren. Dabei drückt er mit dem Finger auf ein Ventil, das unter einem Halstuch versteckt ist. Hörbar entweicht Atemluft. Die Stimme klingt roboterhaft. Mit seinem Anderssein geht der Bergstädter längst selbstbewusst um. „Irgendwann wird es Alltag."

Herbert Heistermann musste nach einer Krebserkrankung der Kehlkopf entfernt werden. ,,Das Schlimmste war, danach nicht mehr sprechen zu können." Wie komme ich damit zurecht? Wie gehen andere damit um? Fragen, die er sich immer wieder stellte. Der Verlust der natürlichen Stimme war nicht die einzige Folge des massiven operativen Eingriffs: Heistermann kann seither auch nicht mehr durch Mund und Nase atmen, sondern durch eine über dem Brustbein angelegte Halsöffnung.

Er selbst hat gelernt, damit zu leben. Ein Logopäde half ihm dabei, längst hat er sich an seine Stimmprothese (Shunt-Ventil) als Verbindung zwischen Luft und Speiseröhre gewöhnt. ,,Ich bin kehlkopflos, können Sie mich verstehen?", fragt er am Telefon, um erstgarkeine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Über den seit gut 25 Jahren bestehenden Bezirksverein der Kehlkopflosen Bielefeld e. V. gibt Heistermann Erfahrungen und Tipps an andere Betroffene weiter. Vor sechs Jahren hat der Oerlinghauser den Vorsitz übernommen. ,,Ich fahre fast jede Woche in die Städtischen Kliniken Bielefeld-Mitte", erzählt er. ,,Die Anrufe haben zugenommen." In diesem Jahr sei er bereits bei 13 Patienten gewesen. Alles Männer. Die meisten zwischen 60 und 70 Jahre alt. Wenn Patienten es wünschen, sucht Heistermann vor der Operation das Gespräch mit ihnen, aber auch danach. Möglichst auch das mit den Angehörigen. ,,Die Betroffenen werden mit so vielen Informationen überflutet, da ist es gut, wenn ein anderer mithört und -sieht." Grundsätzlich würden vom Selbsthilfeverein aber keine medizinischen Ratschläge erteilt, betont der 67 -jährige. Besprochen werde vielmehr, wie man mit der Behinderung leben kann, welche Hilfsmittel es gibt. ,,Eines der Vereinsanliegen ist es, Betroffene dazu bewegen, sich nicht zu Hause einzuigeln." Am Leben teilzunehmen, sei wichtig. Obwohl vieles nicht mehr so einfach geht wie früher.

Umso mehr engagiert sich Heistermann in dem Verein, klärt Kehlkopflosen etwa über Möglichkeiten auf, wie sie sich trotz der fehlenden Stimme verständlich machen können. Seine beiden Enkel gingen mit seiner Behinderung unbefangen um. Ist ebenso. ,,Der Opa spricht anders." Kein Problem für sie.

Quelle: Karin Prignitz, Lippische Landeszeitung

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